Zwischen den Steinen

Zwischen den Steinen still und beengt
ein kleines Blümchen zum Himmel drängt.

Es scheint hoffnungslos dunkel und bitter kalt.
Doch das Blümchen wächst weiter, ganz ohne Gewalt.

Es trägt in sich eine innere Kraft –
das Wesen der Liebe, die alles schafft.

Es zeigt seine Weisheit des nachts den Sternen.
Wir Menschen können viel von ihm lernen.

Zwischen den Steinen wächst etwas heran:
Die Hoffnung, die niemand uns nehmen kann.

Hoffnung auf Liebe, auf Mut und Verstand.
Zwischen den Steinen liegt viel zu viel Sand.

Im Sand, der die kalten Steine bedeckt
ist so mancher Samen der Liebe versteckt.

Die Welle der Wahrheit wird Klarheit uns bringen.
Zwischen den Steinen die Blumen singen.

Hör‘ auf ihr Lied und sieh‘ ihre Pracht.
Bis auch der letzte Stein erwacht.

Birgit Kordelle, November 2020

Gewohnheit

Ich will mich nicht gewöhnen
an Menschen ohne Gesicht.
Ich will mich nicht dran gewöhnen,
dass ein Mensch ohne Mimik spricht.

Ich will mich nicht gewöhnen
an Regeln ohne Sinn.
Ich hatte mich daran gewöhnt,
dass ich frei und selbstbestimmt bin.

Ich will mich nicht dran gewöhnen,
dass nur eine Meinung zählt.
Ich will mich nicht gewöhnen,
an eine verrückte Welt.

Ich will mich nicht gewöhnen
an Abstand und Zensur.
Ich will mich nicht gewöhnen
an Gesundheitsdiktatur.

Wir dürfen uns nicht gewöhnen,
Menschen zu denunzieren
und mit den Lügnern und Heuchlern
im Gleichschritt zu marschieren.

Ich werde mich nicht gewöhnen
an Freiheitsbeschränkung und Angst.
Die Wahrheit wird dich verhöhnen,
auch wenn du jetzt Schweigen verlangst.

Wir müssen uns wieder gewöhnen
an Alter, Krankheit und Sterben,
uns mit dem Leben versöhnen
und diese Gewohnheit vererben.

Birgit Kordelle, November 2020