Das andere Leben, wie war das doch gleich?
Ich kann mich kaum noch besinnen.
Sind deine Hände hart oder weich?
Ich kenn‘ nur mein Zimmer von innen.
Ich sehne mich nach Deinem Gesicht.
Wir können nicht mehr sprechen.
Ich sehe deine Seele nicht.
Sie hat sicher viele Gebrechen.
Ich will mein Leben jetzt zurück,
und selbst für mich entscheiden.
Ich kümmre mich selber um mein Glück!
Ich hab nicht gebeten, zu leiden.
Ich möchte halten deine Hand
und meine Liebsten sehen.
Es bringt mich fast um den Verstand,
vielleicht alleine zu gehen
von dieser Welt, die mich gebar‘,
und die ich von Herzen liebe.
So viele Wunder wurden schon wahr,
doch Wünsche ich nun verschiebe.
Ich fühl‘ mich betrogen, verraten, verkauft
und wenig beschützt und geborgen.
Auch wenn ihr mit goldenen Masken rumlauft,
habe ich Angst vor dem Morgen.
Ich will es zurück, das andere Leben,
will lachen, tanzen und singen.
Ich will meinen Lieben Antworten geben.
Und möchte vor allen Dingen
sagen, was ich denke und glaube
und über mein Dasein selber entscheiden,
ohne Bewertung und Daumenschraube.
Es ist MEIN Leben. Es ist MEIN Leiden.
Dieses Gedicht ist meiner lieben Freundin Ursel gewidmet, die während des ersten Lockdowns kurz nach ihrem 100. Geburtstag in einem Pflegeheim in den Armen der Einsamkeit verstarb.
© Birgit Kordelle, Dezember 2020