Ich sehe

ich seh‘ das Blatt, das mühelos
zu Boden fällt in Mutters Schoß.

Ich seh‘ den Käfer klein und sacht,
sein sanftes Dasein, seine Macht.

Ich seh‘ den Weg, der holprig lacht
und spür‘, wie er ’ne Biegung macht.

Ich seh‘ ganz fern den alten Mann,
der mühevoll nur gehen kann.

Ich seh‘ den Stern am Horizont.
Ich fühl‘ den Raum, in dem er wohnt.

Ich seh‘ den Käfer und den Stern,
den einen nah, den andern fern.

Ich seh‘ das Blatt, den Weg, den Mann.
Ich sehe, weil ich fühlen kann.

© Birgit Kordelle, November 2017

Zwei Welten

Die Welt ist groß, die Welt ist klein.
So viele Menschen,
doch so viele allein.

Die Welt ist gut, die Welt ist schlecht,
zeigt Armut und Habsucht –
Ist das gerecht?

Die Welt ist grün, die Welt ist grau.
Sie zeigt ihr Erblüh’n
und Kriege zur Schau.

Die Welt ist still, die Welt ist laut,
trägt Ruhe im Herz
und wird zugebaut.

Die Welt ist nah, die Welt ist fern –
ganz tief in dir drin
als ganz kleiner Stern.

© Birgit Kordelle
Mai 2017